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Russland – Skiwandern im Herzen Russisch Kareliens

Ein Reisebericht von Carola Pfannkuchen
Reisezeitraum: März 2019

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1. Tag

Alle Vorbereitungen sind getroffen. Unser guter Geist Jörg Liefeldt kümmert sich um Haus und Hof. Die inzwischen 17 Jahre alte Skiausrüstung wird hoffentlich durchhalten und dann ist da noch die Frage – haben wir die richtigen Sachen dabei? Glücklicherweise bekommen wir ja von Schulz immer gute Packlisten.

Diesmal starten wir von Struweshof. Dazu laufen wir zunächst zur Bushaltestelle der Stadtverwaltung und kommen das erste Mal mit unserem ganzen Gepäck ins Schwitzen. Der Zubringer nach Schönefeld ist wirklich super und wie nicht anders erwartet gibt es ein leises Schmunzeln am Check-In Schalter für diejenigen die ebenfalls mit Skigepäck anreisen. Es sind vertraute sächsische Laute, die an unser Ohr dringen. Noch sind wir darauf eingestellt von ... vom Flughafen abgeholt zu werden, aber wir hätten nur richtig lesen müssen. Es gab noch ein paar kleine Änderungen im Programm. Unser Flug ist ruhig und pünktlich (2h+). Der Flughafen in St. Petersburg (ehemalig Leningrad) liegt etwas außerhalb. Wir haben noch 5h Zeit und nachdem Ivan und ein Stadtführer uns in Empfang genommen haben, geht es zur Metro beeindruckende 200 m in die Tiefe und damit dann weiter zum Newsky Prospekt. Wir versuchen die Beschriftung zu lesen und freuen uns wie die kleinen Kinder über die wiedergefundenen Buchstaben. Die Stadt erscheint in schönster nächtlicher Beleuchtung. Es weht ein eisiger Wind und ist furchtbar kalt. Wir haben also schon mal die falschen Jacken an. Die Daunen hatten wir noch nie an und deshalb liegt sie auch heute wieder ganz tief unten in der Hauser Tasche. Vielleicht wäre das doch der richtige Moment, um sie raus zu holen. Glücklicherweise konnten wir das große Gepäck am Bahnhof deponieren und holen es nun wieder ab. Ein sehr unangenehmer Geruch von heißen Bremsen liegt in der Luft. Unser Zug nach Petrosavodsk ist für 23.20 angekündigt. Noch wissen wir nicht mit welchen Sachsen wir unseren Schlafwagen teilen.

Wer jetzt allzu romantische Vorstellungen vom Nachtreisezug hat oder Vergleiche mit den Autozügen nach Finnland anstellt, wird hier schnell ernüchtert. Mehr als 2 Personen gleichzeitig können sich nicht bewegen. Schnell beziehen die beiden Krankenschwestern (Carola und Eva) die schmalen Liegen und dann können die Herren einziehen. An Waschen, Zähne putzen oder sonstige unnötige Tätigkeiten ist nicht zu denken, denn uns fehlt das Verständnis, den Wasserhahn in Gang zu bringen. Nun also Licht aus, Tür verriegelt und die Jalousien dicht. Jeder versucht jetzt irgendwie Schlaf zu finden.



2. Tag

Bei der Ankunft in Petrosavodsk ertönt ein „Nu, Dawai“ (dt.: „Na, los“). Diese Worte zeigen uns – hier wird keine Zeit vertrödelt. Der Bus wartet vor einem wunderschönen Bahnhof und bringt uns zum zugefrorenen Onegasee. Mit dem Luftkissenboot legen wir die letzten 60 km bis zum Quartier bei Olga, Ljuba und Mischa zurück. Sie begrüßen uns herzlich mit den Worten: "Willkommen im karelischen Winter". So ein Luftkissenboot ist ein neues Erlebnis für uns. Mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h hat man das Gefühl ständig hin und her zu rutschen.

Unser erstes köstliches Mahl mit eisgekühlten Johannisbeeren, Saft und Gebäck wartet auf uns und dann wollen wir endlich die Ski anschnallen. Jetzt können wir unser Zwiebelschalenprinzip testen. Die warme Unterhose bewährt sich bei dem kalten Wind und nach 3h kehren wir glücklich und erschöpft zurück. Schon wartet die nächste Überraschung auf uns. Die Banja ist angeheizt. Diese Art der Sauna ist mit einer Abkühlung im Schnee und gleich wieder rein etwas anders als wir das bisher kennen. Der Ofen bullert und das ganze Waschhaus steht unter Dampf. Jürgen hatte die gute Idee unsere Gartenschuhe mit einzupacken. Die haben sich hierbei bestens bewährt. Bis zum Abendessen haben wir noch etwas Zeit und können nun den zimmereigenen Ofen entfachen. Nach etwas Startschwierigkeiten dabei liegen wir nun glücklich auf unseren Betten und schauen dem Feuerschein zu.
Die anschließende Vorstellungsrunde beschert uns die nächste Überraschung. Der Ivan kommt aus Barnaul und seine Frau und unsere Mascha sind Freundinnen. Mascha war unsere Begleiterin bei der Tour 2010 im Altai und ist inzwischen mit Alexander verheiratet. Da gibt es natürlich viel zu erzählen.

Unsere Ü 50 Runde kommt vorwiegend aus Leipzig.



3. Tag

Wir hatten mit der Ankündigung einer langen Tour bei starkem Gegenwind ein bisschen Respekt vor dem Ausflug zur Museumsinsel Kischi. Sie ist unser heutiges Ziel. Aber schon bald begleiten uns die Sonnenstrahlen bei der Tour über einen Teil des Onegasees. Vorbei an kleinen Uferdörfern streben wir der Maria-Schutz-Kirche mit ihrer interessanten Ikonensammlung entgegen. Nach einer kleinen Teepause und einem Abstecher in ein altes Museumshaus, wo wir spielerisch in die alten Webtechniken eingeführt werden und dafür einen "Meisterklasse" ablegen. Dann hält jeder ein selbst geflochtenes Band in den Händen und ich denke dabei gleich an unserer Paula in der Hoffnung ihr das beizubringen.

Nun liegt das UNESCO-Kulturerbe vor uns. Leider steht wie so oft bei so alten Bauten ein Gerüst um die Kirche und so können wir die Details der Zwiebeltürme nur erahnen. In einem Jahr so hoffen die Rekonstrukteure soll alles wieder im alten Glanz erstrahlen. Im Sommer gibt es hier einen großen Andrang durch Touristen und dabei eine sehr präsente Bewachung. Noch ein Abstecher ins alte Bauernhaus und dann müssen wir uns sputen, um vor der Dunkelheit zurück zu sein.

Nach der entspannenden Banja und dem leckeren Abendmahl erfahren wir noch etwas über den morgigen Tag mit Fischfang nach alter Tradition in Begleitung von Mischa und einem geplanten Outdoor -Essen.



4. Tag

Der Wechsel im Programm beschert uns nun heute eine wunderbare Skitour zu einer Insel mit einer altern Kirche, wo wir sogar den Glockenturm erklimmen und die Weite Kareliens erahnen können. Wir laufen dick vermummt vorbei an Mischas Fischgründen und hoffen nachher auf großen Fang. Die morgendlichen -15 Grad lassen uns den wirklichen Winter hier erleben. Keiner wird auf die Idee kommen, im T-Shirt das Haus zu verlassen. Rundherum Schnee und Birken, welche hier dunkler in der Rinde erscheinen als im Altaigebirge. Die Bewohner sind nur im Sommer da. Im kräftigen Schneetreiben schmelzen die Flocken auf dem erhitzten Gesicht und es zieht eine innere Stille ein. In dem Moment habe ich entschieden über die Reise wieder Tagebuch zu führen.

Die Videokamera ist von vielen Mitreisenden nicht mehr akzeptiert. Datenschutz lässt grüßen.

Jürgen und Guido werden als "Gastarbeiter" das Netz leeren und erhalten dazu von Mischa die Anweisungen und die Handschuhe. Alle warten gespannt auf das Ergebnis. Unter dem Eis ist das Netz an 2 Stationen gesichert. Die Ausbeute von drei Fischen ist doch recht karg und löst bei unseren Mitreisenden unterschiedliche Emotionen aus. Wie "lasst die doch nicht so zappeln" bis zum Oh "das wird eine leckere Suppe". So wird das Ganze mit Würstchen überm Feuer und Brot ergänzt. Der Kessel für die Suppe kocht schon und Mischa erweist sich als ebenso begnadeter Koch wie seine Olga. Langsam kommt auch der Wodka ins Spiel. Denn ist ja schließlich eine Wodka-Fischsuppe die wir probieren wollen. Wir genießen das Hier und Jetzt und stellen fest, wie wunderbar dieses kalte Land ist.

Nun sind alle genug durchgefroren und die 16 Uhr Gruppe macht sich startklar für die Banja und freut sich auf die mollige Wärme. Mit dem anschließenden Anheizen des Bullerofens im Zimmer fällt es schwer, die Augen bis zum Abendessen offen zu halten.

Unsere Kamera wird doch wohl jetzt nicht ihren Geist aufgeben? Vieleicht war der Temperaturwechsel von Sauna und draußen doch nicht so gut, aber sie muss noch bis zum 60. Geburtstag von Jürgen durchhalten.



5. Tag

Фловоа-so heißt der kleine Ort, durch den wir laufen. Manchmal dauert es eine Weile, um zu wissen, wo man denn nun überhaupt ist. Unsere Russisch-Erinnerungen kehren so langsam zurück und beim Frühstück können wir schon etwas mehr als „ложка и масло“ sagen. Über unsere Versorgung gibt es nur Lob auszusprechen, so dass auch dem heutigen Start bei -7°C und Schneetreiben nichts entgegensteht. Heute begleitet uns Mischka und während Ivan zur Freude der nach ihm Laufenden die Spur zieht, plaudert er fleißig darauf los. Das heutige Ziel ist ein Opferstein auf der nächstgelegenen Insel. Ruhig gleiten unsere Skier durch den Neuschnee, kein Wetter für Jetski und Angeln. Unser Holzhausdorf ist fast menschenleer. Wenige schüchterne Blicke hinter den farbigen Gardinen begleiten unsere Heimkehr und nach einer herzlichen Verabschiedung durch Holger mit dem Ausweis für deutsch-sowjetische Freundschaft in der Hand bringt uns das Luftkissenboot zurück nach Petrosawodsk. Bei der Museumstour haben wir wunderschöne Gefäße aus Birkenrinde gesehen und nun hoffen wir auf eine kleine Shoppingrunde. Wir sind erfolgreich, diese kleine Dose für den Tee wird uns noch lange an diese schöne Tour erinnern. Die anschließende Busfahrt durch tiefverschneite Kiefern- und Birkenwälder endet nun in Kinerma. Es ist eines der ganz wenigen Dörfer in Karelien, das komplett in traditioneller Bauweise errichtet ist. Unsere Zimmer befinden sich verteilt im Holzhausmuseum. Wir beugen uns tief, um einzutreten und über eine Art Heuboden gehen die Türen in die kleinen Stübchen ab. Die Aufteilung ist eine kleine Bewährungsprobe für Ivan. Aber nach dem genüsslichen Mahl bei Nadeschda ist schon wieder Lust auf die besondere Sauna, die es hier gibt. Wir zwei ziehen uns zurück und lassen den Tag Revue passieren.



6. Tag

Immer wieder gibt es bei unseren Reisen tolle neue Momente. Ich habe noch nie in einem Museum geschlafen. Das wäre etwas für unsere Ethnologin. Wir hätten sogar auf dem Ofen übernachten können, so wie in den russischen Märchen, die wir aus der Kinderzeit kennen. So trocknen nun unsere Schuhe darauf. Überall hängen oder liegen die alten Gerätschaften herum. Die Türen sind winzig, um die Temperatur im Raum zu halten.

Unsere heutige Skitour geht durch den tiefverschneiten Winterwald. Wir haben einen Hund zur Begleitung und den Sohn von Nadeschda, damit wir nicht vom Weg abkommen. Aber spätestens als wir den See erreichen, tauchen wir ein in gleißenden Sonnenschein und entdecken dabei die Schönheit dieses Landes. -15°C zeigt das Thermometer. Unsere verwöhnte Haut spannt, die Augen tränen und trotzdem ist es wunderschön. Am Schluss wartet ein schweißtreibender Aufstieg und sorgt für Appetit zum Mittagessen. Nun gibt es noch eine weitere „Meisterklasse“. Wir lernen unter Nadeschdas Anleitung Kalitkis im alten Backofen zu fertigen. Ein leckerer Schmaus zum „Ivan-Kräutertee“. Gleich geht es ab in die uralte, traditionelle, echt karelische Rauchsauna. Es benötigt mehrere Stunden der Vorbereitung und des Einheizens. Es ist alles rußig und schwarz. Selbst der Schnee scheint in Ehrfurcht vor dem Alten zu ergrauen. Hier gibt es keine Fragen zur Wäsche oder zum Bad. Eine Kelle Wasser über den schweißgebadeten Körper und dann für so Mutige wie meinen Jürgen ein Schneebad und schon geht auch dieser schöne Tag zu Ende.



7. Tag

Die Temperaturen gehen rauf und runter und spätestens nach der ersten Abfahrt ist klar: Man hat zu viel oder zu wenig an. Wir starten zum Frühstück um 9 Uhr und haben somit noch Zeit, uns im Museum umzuschauen. Alle schmunzeln wieder über unsere Begleitung, den Hund Boba. Er tobt im Schnee, legt sich in die frisch gezogene Spur und fordert so die Aufmerksamkeit oder ein Stück Schokolade. Auf der Rücktour findet er noch Gesellschaft. Wir haben das Glück, uns ein altes karelisches Museum anzuschauen und wie überall hat auch hier die russische Herrschaft ihre Spuren hinterlassen. Unser heutiger Besuch einer Weberei hat bei mir wieder viele Wünsche geweckt. Es gibt wunderbare Anregungen für Tischwäsche, Holzschmuck und Flechtkunst aus Birke. Nina führt uns durch das Haus. Die Menschen versuchen hier mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Kultur zu erhalten und weiterzugeben. Der Kindergarten im Haus ist sicher ein guter Weg dorthin. Die Hunde lassen sich vom Schneetreiben nicht beeindrucken und balgen sich was das Zeug hält.

Inzwischen sind weitere Gäste bei Nadeschda eingetroffen und ihre beiden Söhne sind voll eingespannt und führen sie durch die Räume. Man spürt den Elan dieser 4 Menschen sich hier zu behaupten und dem Winter zu trotzen. So überbrücken wir die halbe Stunde bis die Banja ruft und wir die kalten Füße wärmen können. Wie immer in der Truppe weicht nach Tagen des Zusammenseins die Kühle im Gespräch. Man interessiert sich mehr füreinander. Unser Wanja beantwortet selbst in der Sauna alle Fragen, die wir nun mal haben. Er hofft in ein paar Jahren nur noch im Tourismus tätig zu sein. Als Reporter einer Zeitung ist der Schreibtischjob nicht das Richtige für ihn.



8. Tag

Wie passend – Tag 8 ist der 8. März. In Russland noch ein gelobter Feiertag mit Blumen für die Frauen, braven Kindern und einem gemeinsamen Essen am Abend. Bei uns hingegen steht das Eisangeln auf dem Programm und auf unsere Frage, ob denn ein Tourist schon einen Fisch aus dem Wasser gezogen hat, schmunzelt Wanja. Mit Schneeschuhen und Pulka bahnt er uns einen Weg zum See durch den tiefverschneiten Wald. Bestens ausgestattet geht es mit Eisbohrer, Angel und Wurm an den großen Fang. Immerhin Olaf gelingt der große Biss. Durch das armstarke Loch zieht er einen kleinen Barsch in den Schnee sehr zur Freude von Boba, der nach dem Blitzlichtgewitter seine Chance gekommen sieht. Nicht alle halten heute bei Schneeregen und Wind durch, aber wir wissen – es sind die letzten Stunden hier draußen und so trödle ich langsam und genussvoll zurück durch den wunderschönen Winterwald. Die Äste beugen sich unter der Last.

Nadeschda hat uns ein Lunchpaket bereitet. Damit halten wir durch bis zur Rückreise im Zug nach St. Petersburg. Wir verabschieden uns von Ivan und schon rollt der gut bewachte Zug ab. Auch in St. Petersburg holt uns der Schneesturm ein und wir ziehen vereinzelt und ein wenig ziellos durch die Straßen. Diese Stadt ist aus meiner Sicht noch eine eigene Reise wert.

До свидания!



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